Augenarzt und Uhrmacher. Sie haben eine gemeinsame Ausstrahlung beim Auftritt, denn Mimik und Gestik bei beiden urkomisch ähnlich scheint. Während der Untersuchung beim Augenarzt fühle ich mich so oft, ich wäre beim Uhrmacher und lasse meine Uhr reparieren. Mit keiner unbekannten Person bin ich so nah wie er. Er sitzt gegenüber vom Patient, der bin ich, nähert sich zu mir wie möglich, schaut meine Pupille durch das Augenglas. Ich spüre an dem Augenblick, was für einen Atemzug der Augenarzt hat, wie er riecht, wie oft er atmet und wie sein Atemgeräusch rauscht. Während meines gedeihenden Gedankenstroms öffnet er mein Augenlid, um in meinem inneren Augenfeld hineinzuschauen und um durch die Tiefe, mein Auge genau zu recherchieren. Er erblickt das, was ich in diesem Moment sehe. Ein peinlich intimer Augenblick von meiner Seite, ein regulärer voyeuristischer Blick von seiner Seite.
Ich blicke durch das Schaufenster des Uhrmachers »Kramer« in der Gertigstrasse. Ein grauhaariger Mann sitzt auf einem Barhocker an der antiquierten Glasvitrine, schaut gerade zur Mechanik der Uhr, durch eine Linse, hinein. Das Glas der Vitrine ist kurzweilig eingeschlagen von seinem regelmäßigen Atemzug und wiederum das eingeschlagene Vitrinenglas trocknet sofort wieder aus. Seine Nasenspitze hätte berührt beinahe das Glas. Dieses Bild blendet sich ein an der Gestikulation meines Augenarztes. Der Uhrmacher beschäftigt sich lebenslang damit, die
verstellte Zeit wieder in Ordnung zu bringen. Der Augenarzt diagnostiziert und behandelt ein Sehproblem im schwarzen Loch der Fovea. Vielleicht wären sie Doppelgänger in einer verkehrten Welt von Raum und Zeit.